Pause machen? Frische Luft schnappen? Tief durchatmen? Achtsamkeit im Alltag kann überraschend einfach sein

 

Viele tun sich mit dem Begriff «Achtsamkeit» etwas schwer. Zu sehr wird dieser Ausdruck manchmal überbeansprucht und von gewissen Leuten auf die Spitze getrieben. Dabei ist das Thema im Grunde genommen sehr alltagsnah – zum Beispiel, wenn es um den wichtigen Aspekt des bewussten Atmens geht. Erfahre, wie Achtsamkeit und Self-care dir im Alltag konkret helfen können – und Stress vermindern. Wir haben uns mit Barbara Studer, einer Expertin auf dem Gebiet, austauschen können.  

 

Barbara Studer, freiberufliche Beraterin und Trainerin bei Weiterbildung Zentralschweiz, fand vor etwa 25 Jahren durch einen Meditationskurs zum Thema Achtsamkeit. In einer intensiven Lebensphase mit Kindern, Beruf und Weiterbildung halfen ihr Achtsamkeitsübungen, mehr Ruhe und Gelassenheit zu finden. Diese Praxis und die Erkenntnisse daraus unterstützen sie bis heute in ihrem Alltag.

 

Was mit Achtsamkeit gemeint ist

Achtsamkeit bedeutet gemäss Barbara Studer, im Moment präsent zu sein und Dinge oder Situationen bewusst wahrzunehmen, ohne sie zu bewerten. Es geht darum, den Moment so anzunehmen, wie er ist, die eigene Aufmerksamkeit und Selbstwahrnehmung zu trainieren und den bewussten Umgang mit Emotionen zu fördern. «Achtsamkeit ist eine Technik, um unser Bewusstsein zu schärfen», sagt sie – und erklärt: «Oft befinden wir uns im Autopiloten-Modus, ohne unsere Gedanken wirklich bei dem zu haben, was wir tun. Es geht also darum, mit voller Aufmerksamkeit und allen Sinnen bei dem zu sein, was wir gerade tun.» In hektischen oder schwierigen Momenten kann Achtsamkeit also helfen, innezuhalten, sich zu sammeln und bewusste Entscheidungen zu treffen.

 

Wie Achtsamkeit im Job-Umfeld helfen kann

Auch im Arbeitsalltag lassen sich kleine Achtsamkeitsübungen integrieren, sagt Barbara Studer. Kurze Pausen, ein Spaziergang an der frischen Luft ohne Handy oder bewusstes Trinken eines Glases Wasser könnten den Fokus schärfen und die Effizienz steigern. Dabei erfordere Achtsamkeit keine grossen Zeitfenster, sondern könne in kleinen Massnahmen, sogenannten «Mikroübungen», eingebaut werden. Die Expertin entgegnet Menschen, die Achtsamkeit als überflüssig oder auch «verweichlicht» ansehen, dass die positiven Effekte wissenschaftlich belegt sind. «Achtsamkeit hilft nachweislich, Stress zu bewältigen, verbessert die Konzentration, fördert die emotionale Intelligenz und hat positive Auswirkungen auf die Gesundheit.» Oder um es etwas salopp auf den Punkt zu bringen: Mit «Gspürschmi-Zeugs» hat dieses Themenfeld nichts zu tun – viel mehr bietet einem Achtsamkeit konkrete und effektive Werkzeuge, um die eigene Lebensqualität im Alltag nachhaltig zu steigern.

 

Welche Rolle das Zeitmanagement spielt

Achtsamkeit ist keine Frage des klassischen Zeitmanagements, sondern der Einstellung und Priorisierung. Bewusste Pausen und Rituale, wie eine Atemübung am Morgen oder ein Body-Scan am Abend können den Tag entspannter gestalten, erklärt Barbara Studer. Anzeichen dafür, dass man sich zu viel zumutet, sind beispielsweise Schlafstörungen, Kopfschmerzen, innere Unruhe, Energielosigkeit oder Gereiztheit. «Achtsamkeit hilft, die Selbstwahrnehmung zu schulen und rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen, bevor die Belastung zu gross wird», so Studer. Was aus ihrer Sicht ebenfalls wichtig ist: Man sollte Achtsamkeit nicht zu sakrosankt machen. «Es wäre also nicht sehr achtsam, wenn man Achtsamkeit erzwingen wollen würde. Manchmal hat man mehr Zeit dafür, manchmal halt weniger – das ist völlig in Ordnung. Hauptsache, man lässt es nicht gänzlich ausser Acht.» Ein Tipp, der insbesondere im eng getakteten Alltag von Müttern oder Vätern hilfreich sein kann, ist, sich bewusst Zeitinseln zu schaffen für sich selbst. «Vielleicht stehe ich eine halbe Stunde früher auf, verbringe weniger Zeit in den sozialen Medien, verzichte heute Abend auf die Netflix-Serie oder spreche mich mit meiner Familie ab?» Das alles kann hilfreich sein, respektive einem wertvolle Zeit verschaffen. Barbara Studer spricht aus Erfahrung – sie ist selbst Mutter. «Ich habe meinen Kindern zum Beispiel gesagt, dass ich nun 20 Minuten meditiere und nicht gestört werden möchte.» Man darf anderen – auch Kindern – durchaus etwas zumuten, betont Studer. «Das klappt aus meiner Erfahrung sehr gut. Es scheitert häufig an einem selbst, und nicht an den anderen oder den Umständen.»

 

Wie man Achtsamkeit in den Alltag integriert

Barbara Studer hat uns eine ganze Reihe kleiner Ratschläge zusammengestellt, wie man Achtsamkeit in den eigenen Alltag integrieren kann (siehe Tipps am Ende des Textes). Zudem sei es empfehlenswert, seine eigenen täglichen Rituale zu finden – und zu pflegen, so die Expertin. Ein Beispiel, das sie nennt, könnte sein, den Tag bewusst und mit einer positiven Einstellung zu beginnen oder zu beenden, indem man sich Zeit für sich selbst nimmt, etwa mit einer kurzen Meditation. Ein berühmter Zen-Meister pflegte einst zu sagen: «Ich erwache, ich atme und denke – 24 brandneue Stunden liegen vor mir.» Es geht also darum, sich bewusst zu machen, dass im Grunde jeder Tag eine frische, unbeschriebene Seite ist, die wir bewusst und aktiv gestalten können. Dass wir viele Dinge – auch Schwierige – selbst beeinflussen können. Vielen hilft es auch, sich morgens ein kleines Ziel zu setzen – und abends kurz zu reflektieren, ob man dieses für sich erreicht hat. Scheitert man ein ums andere Mal an den eigenen Ansprüchen und wird sich dessen bewusst, kann (und sollte) man seine Ambitionen anpassen. Und sich dann Stück für Stück dem annähern, was man von sich erwartet – anstatt alles auf einen Schlag tun zu wollen. «Oft nehmen wir uns zu viel vor, was dann zu Stress und Unzufriedenheit führt», weiss Barbara Studer aus Erfahrung.

 

Wie in so vielen Bereichen des Lebens geht es auch bei der Achtsamkeit letztlich darum, grosse Ziele im Kleinen zu beginnen – bei sich selbst. Barbara Studer hat sich deshalb eine berühmte Aussage von Mahatma Gandhi zum persönlichen Lebensmotto gemacht: «Sei du selbst die Veränderung, die du dir für diese Welt wünschst.»

Diese Achtsamkeits-Tipps können dir im Alltag helfen:

 

Pause machen – Pausen sollen bewusst und regelmässig gemacht werden. Eher mehr und kürzer. Und falls möglich nicht in der Pause über die Arbeit sprechen, sondern über etwas ganz anderes.

 

Frische Luft schnappen – Pause nutzen, um kurz nach draussen zu gehen und zum Beispiel einmal ums Haus zu spazieren. Ohne Handy – und einfach die Gedanken schweifen lassen und auch das grössere Ganze wahrnehmen.
 

Atmen – Wann immer dir danach ist – oder wenn du dich gestresst oder überlastet fühlst: Augen schliessen, Atem vertiefen, die Ausatmungszüge von 10 rückwärts zählen.

 

Kurzer Ausblick – Aufstehen, ans Fenster gehen, den Blick für eine Minute in die Ferne schweifen lassen. 
 

Stilles Örtchen aufsuchen – Auch ein Toilettengang kann erholsam sein – sofern du ihn nicht am Handy verbringst. Nutzte den kurze Moment der Stille.
 

Dem Unbeachteten Beachtung schenken – Bewusstes Wahrnehmen deiner Schritte beim Gehen, bewusstes Trinken, Schluck für Schluck. Am besten Wasser oder Tee.
 

Innehalten – 5 Minuten sitzen und aufmerksam den eigenen Atem beobachten. So kommst du zur Ruhe und entschleunigst dich.
 

Bewusst verzögern – 3-mal klingeln lassen, bevor du ans Telefon gehst. Die Zeit reicht aus, um dich kurz zu sammeln – und dann parat zu sein fürs Gespräch.
 

Mehr Zeit einplanen – Vieles ist zu eng getaktet, und manchmal sind wir auch selbst dran schuld. Plane dir vor einer Sitzung immer noch 5 Minuten mit ein. So kannst du ruhig ankommen. Und dich noch kurz vorbereiten auf das, was folgt.
 

Raum für Gedanken schaffen – An Sitzungen oder Online-Meetings muss nicht pausenlos gesprochen werden. Mal eine Minute, um in ganzer Runde nachzudenken oder kurz in Stille zu reflektieren, ist sehr zielführend. Oder wenn’s nicht vorwärts geht: Kurz lüften, WC-Pause einlegen, oder was trinken. Ansonsten ist es um die Effizienz geschehen und Meetings ziehen sich einfach nur noch substanzlos in die Länge.

Kurs mit Barbara Studer

«Schlüsselkompetenz Achtsamkeit»

 

Dieser Kurs von Weiterbildung Zentralschweiz richtet sich an alle interessierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und dauert 4 Halbtage. Er bieten einen Mix aus Kurzinputs, Basis-Wissen, Theorien & Modellen sowie umsetzungsorientierten Übungen, Reflexion und gegenseitigem Erfahrungsaustausch.  

 

Weitere Informationen erhältst du hier im Link